Schulleitungen sind der Schlüssel des Erfolgs

Einer der führenden Experten für empirische Bildungsforschung ist der Tübinger Professor Ulrich Trautwein. Er fordert eine „Kultur des Hinschauens“ im Hinblick auf das System Schule. Trautwein ist Mitinitiator des Campus Schulmanagement und Leiter des Studiengangs „Schulmanagement & Leadership“. In ihm können sich (angehende) Führungskräfte im Bildungssystem berufsbegleitend zum Master of Arts weiterbilden. Für Ulrich Trautwein sind unter anderem die Schulleitungen zentrale Faktoren für Bildungserfolg.

Der 50-jährige Bildungsexperte ist geschäftsführender Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung, das 2014 an der Universität Tübingen gegründet wurde und zu Voraussetzungen und Konsequenzen guter Bildung forscht. Trautwein beschreibt seinen Forschungsgegenstand so: „Die empirische Bildungsforschung beschäftigt sich u.a. mit der Frage nach der Effektivität institutioneller Lerngelegenheiten. Einfacher gesagt: Wie kann es Bund und Ländern besser gelingen, Schulen so zu gestalten, dass alle Lernenden wirklich so viel lernen, wie sie können?“ Als Wissenschaftler warnt Trautwein vor allzu schnellen Antworten und betont, dass die Forschung längst noch nicht alles zum Thema Lehren und Lernen verstehe. Wer Professor Trautwein trifft, ist vor allen Dingen begeistert von seiner klaren Sprache. Der Hochschullehrer, selbst Vater dreier Kinder, habilitierte sich 2005 an der FU in Berlin im Fach Psychologie und lehnte Rufe auf Professuren in Zürich, Erfurt und Freiburg/Schweiz ab, um an der Universität Tübingen zu forschen und zu lehren.

Wenn es darum geht, das System Schule in seiner Funktionalität von Grund auf zu überprüfen, setzt Professor Trautwein als Empiriker auf die Wissenschaft. „Es gibt nicht die eine Entscheidung, die alles verändert und auf einen Schlag besser macht“, sagt er. „Wir brauchen Qualitätsmanagement, einen selbstkritischen Blick auf unsere Arbeit auf der Basis objektiver Daten und regelmäßiges, intensives Feedback. Wenn wir evidenzorientiert arbeiten, sehen wir nach einer Weile, was gut und was weniger gut funktioniert.“ Ein solches Vorgehen sollte eigentlich selbstverständlich sein, denkt sich der Laie. Das Prinzip von Trial and Error an solch zentraler Stelle erscheint eher semiprofessionell. Trautwein hat ein schönes Bild dazu: „Wenn heute jemand mit einem Herzinfarkt in der Notaufnahme landet, wird minutiös und detailliert ein festgelegtes, evaluiertes, wissenschaftsbasiertes System in Gang gesetzt, in dem der Patient objektiv die besten Chancen hat, zu überleben. In vielen deutschen Schulen dagegen sind Kunstfehler Programm. Eine institutionalisierte Erfolgskontrolle findet so gut wie nicht statt.“

Um diese Situation zu verbessern, hat der Tübinger Hochschullehrer Trautwein gemeinsam mit dem Leiter des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung in Baden-Württemberg, Professor Dr. Thomas Rieke-Baulecke, der Dieter Schwarz Stiftung und der Akademie für Innovative Bildung und Management (aim) die Schulleitungen identifiziert. „Das heißt nicht, dass man den derzeit aktiven Schulleitungen einen Vorwurf machen sollte“, stellt Trautwein klar.

„Im Gegenteil: Ich sehe ein enormes Engagement und eine hohe Problemlösekompetenz an den Schulen.“

Würde man hingegen die Bedeutung von Schulleitungen erkennen und bedenken, wie stark ihre Arbeit tagtäglich das Lernen der Schülerinnen und Schüler, die Arbeit der Lehrkräfte und das Zusammenspiel im Bildungssystem beeinflusse, müsse eine Frage erlaubt sein: „Bekommen die (zukünftigen) Schulleitungen eigentlich die bestmögliche Ausbildung für diese Tätigkeit?“ Die Antwort liefert Trautwein gleich nach: „Die wissenschaftliche Literatur sagt nein der Vergleich mit den besten Schulsystemen weltweit sagt nein, und wenn man (angehende) Schulleitungen fragt, so sagen diese ebenfalls nein. Es besteht Handlungsbedarf.“

Mit der großzügigen Unterstützung der Dieter Schwarz Stiftung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb den Campus Schulmanagement an der Uni Tübingen aufgebaut, wo sich im Studiengang „Schulmanagement & Leadership“ (angehende) Führungskräfte berufsbegleitend in vier Semestern zum Master of Arts weiterbilden können. „Das sind im Prinzip die Kolleginnen und Kollegen, die hoffentlich später Führungsverantwortung übernehmen oder bereits übernommen haben“, ordnet es Ulrich Trautwein ein „Schulleitung ist ein hochkomplexer Job. Sie müssen verstehen, was Führung bedeutet. Sie müssen wissen, wie sich die Unterrichtsqualität in der Schule steigern lässt. Sie müssen erkennen, welche neuen Ideen für die Schule empirisch fundiert und welche unbegründete Heilsversprechen sind. Sie müssen innovativ sein und Herausforderungen wie Digitalisierung oder kriegsbedingte Migration angehen und sie müssen in sämtliche Richtungen – Eltern, Kollegium, Schulleitungskollegen und Schulaufsicht – unendlich viel und kompetent kommunizieren“, erklärt Trautwein. „In der Summe kann man sagen: Wer solche Führungsverantwortung trägt, sollte die bestmögliche Ausbildung und Unterstützung dafür bekommen“, und stellt dann fast resignierend fest: „Wo und wie auch immer die angehenden Führungspersonen das lernen, was sie brauchen: Im Prinzip sind sie auf sich selbst gestellt.“ Eine systematische, akademische Führungsausbildung von Lehrkräften in Deutschland finde in kaum einem Bundesland statt, lautet das ernüchternde Fazit. Die Konsequenz: Viele Schulleitungsstellen sind nicht besetzt, unter anderem, weil sich eigentlich interessierte Lehrkräfte den Job nicht zutrauen.

„Schulleitung ist ein hoch- komplexer Job“

Der „Campus Schulmanagement“ mitsamt seinem Masterstudiengang, den die Universität Tübingen verantwortet, soll dazu beitragen, die Situation grundlegend zu ändern. Neben dem Studiengang gibt es dort die „Akademie Schulmanagement“, die die Möglichkeit zum lebenslangen Lernen und der Themenvertiefung implementiert, sowie das Online-Magazin Schulmanagement, mit dem gewährleistet wird, dass sich interessierte Führungspersonen jederzeit zuverlässig und kostenfrei mit soliden Informationen zum Thema versorgen können. „Es gibt ihnen die Chance, dauerhaft ideologiefrei und evidenzorientiert dranzubleiben“, bringt es Professor Trautwein auf den Punkt.

Es gibt „Luft nach oben“ im deutschen Bildungssystem. Der Campus Schulmanagement macht Hoffnung, dass es eines Tages nicht mehr dem Zufall überlassen bleibt, wer mit welchem Wissen und welchen Fertigkeiten eine Führungsposition im Bildungssystem übernimmt und ausübt. Den Schülerinnen und Schülern in Deutschland und damit letztlich dem gesamten Land wäre damit geholfen.